Schönborn: „Down-Syndrom“-Bluttest ist „Eugenik“

Nach Einführung des neuen Bluttests für das Down-Syndrom am 20. August hält die Kritik an dem umstrittenen Testverfahren weiter an.

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, hat sich in der Wiener Gratiszeitung „Heute“ mit einer scharfen Kritik zu Wort gemeldet. „Ist das noch eine menschliche Gesellschaft?“ fragt Schönborn, in der „nur mehr topfitte, supergesunde, leistungsstarke Menschen“ erwünscht sind.

Die Schauspieler Juliana Goetze und Mario Gaulke, die beide das Down-Syndrom haben, präsentieren  ihren Filme "Liebe und so Sachen ...".

Thomas Lohnes / ddp.

Die Schauspieler Juliana Goetze und Mario Gaulke machten trotz Down-Syndrom Filmkariere. Die Chinesen nannten Menschen mit Down-Syndrom einst „Kinder der Sonne“.

Trend zur Selektion

Schönborn zeigt sich auch besorgt über den durch den Bluttest verschärften Trend zur Selektion behinderten Lebens: "Hier wird Selektion betrieben, wird das schlimme Wort „Eugenik“ vom „lebensunwerten Leben", wieder Wirklichkeit?“

Menschen mit Down-Syndrom haben einen Erbgutabschnitt zu viel. Das Chromosom 21 liegt bei ihnen dreifach statt nur zweifach vor. Daher kommt auch die Bezeichnung Trisomie (Verdreifachung) 21. Auf fast 700 Geburten kommt nach Angaben des Arbeitskreises Down-Syndrom etwa ein Kind mit Trisomie 21.

Charakteristisch sind körperliche Auffälligkeiten und eine verminderte Intelligenz. Typische organische Probleme sind Herzfehler, die Anfälligkeit für Infekte und Schwerhörigkeit. Wissenschaftlich beschrieben hat die Besonderheiten von Menschen mit Trisomie 21 erstmals der englische Neurologe John Langdon-Down (1828-1896) im Jahr 1866.

Dagegen hielt Schönborn fest, dass letztlich jeder Mensch ein Mensch „mit besonderen Bedürfnissen“ sei, wie man heute behinderte Menschen bezeichnet.

Aussortierung von behinderten Menschen?

Kardinal Schönborn schließt sich mit seiner Kritik den zahlreichen kritischen Stimmen aus dem kirchlichen Umfeld an, die sich im Vorfeld der Zulassung des Tests zu Wort gemeldet haben. So verwies vor Einführung des Tests auch „Aktion Leben“ auf die eigentliche Absicht des Tests, nämlich die möglichst frühzeitige Aufspürung und Aussortierung von behinderten Menschen. Dies sei eine „unmenschliche Entwicklung“, warnte „Aktion Leben“-Generalsekretärin Martina Kronthaler vor einem steigenden gesellschaftlichen Druck auf werdende Eltern, diesen Test durchzuführen. „Aktion Leben“ fordert daher einen „verpflichtenden Hinweis auf non-direktive, spezialisierte Beratungsstellen, wo sich Eltern umfassend und qualifiziert informieren können“.

Kritik auch in Deutschland

Kritik kam im Vorfeld auch von Seiten der Bioethik-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Diese warnte davor, dass durch den Bluttest die Schwelle „zur gezielten Aussonderung unerwünschter Menschen massiv gesenkt“ werde.

Die deutsche „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) hat die Einführung des neuen Bluttests auf Trisomie 21 hart kritisiert. Mit dem sogenannten „PraenaTest“ setze sich die Herstellerfirma „LifeCodexx“ über alle ethischen und rechtlichen Bedenken hinweg, sagte die ALfA-Bundesvorsitzende, Claudia Kaminski, in Köln.

Seit Montag, 20. August, ist der molekulargenetische Bluttest, der keine riskante Fruchtwasserentnahme mehr erfordert, in insgesamt 70 Praxen und Kliniken in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und in der Schweiz verfügbar. Als „Ergänzung zu anderen vorgeburtlichen diagnostischen Untersuchungen“ und als „Entscheidungshilfe für oder gegen eine invasive Diagnostik“ sei der Bluttest „ausschließlich schwangeren Frauen zugänglich, die sich in der zwölften Schwangerschaftswoche oder darüber befinden“ und ein „erhöhtes Risiko für Trisomie 21 beim ungeborenen Kind tragen“, so der Hersteller. „In naher Zukunft“ solle der Test auch weitere chromosomale Veränderungen wie Trisomie 13 und 18 feststellen können, wurde angekündigt.(KAP / APA)

Tipp:

Der Test wird auch Gesprächsthema bei der heurigen „4. Österreichischen Down-Syndrom Tagung“ vom 28. bis 30. September in St. Virgil (Salzburg) sein. Die Tagung steht unter dem Motto „Alles außer gewöhnlich“. Die feierliche Eröffnung findet am 28. September um 18.30 Uhr statt.

Lesen Sie dazu auch:

Vorarlberg: Kirche gegen Down-Syndrom-Bluttest
(23.08.2012; religion.ORF.at)

Links:

Down.Syndrom.at
Aktion Leben
Bildungshaus St. Virgil