Pränataldiagnostik : Ich wollte nicht abtreiben
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„Es gibt ein gesetzlich garantiertes Recht auf Nichtwissen“: Die Pränataldiagnostik, sagt Monika Hey, stellt Eltern vor unzumutbare Entscheidungen. Bild: Thomas Fuchs
Während der Schwangerschaft erfährt Monika Hey, dass ihr Kind das Down Syndrom hat. Sie hätte das lieber nicht gewusst. Verängstigt und allein gelassen, stimmt sie einem Abbruch zu, den sie sofort bereut.
Sie haben 1998 während Ihrer Schwangerschaft erfahren, dass Ihr Kind Trisomie 21, also das Down Syndrom; hat. Sie haben dann einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Heute sagen Sie, Sie hätten lieber nicht gewusst, dass Ihr Kind das Down Syndrom hat. Warum?
Weil ich keine Abtreibung wollte.
Aber Sie selbst haben doch entschieden.
Das ist eine unzumutbare Entscheidung. Ich wollte nicht in diese Entscheidungsnot kommen. Für mich war klar, dass ich mein Kind so nehme, wie es kommt. Ich war 46 und wusste, dass es ein Risiko gibt.
Wie kamen Sie in eine Entscheidungssituation, die Sie gar nicht gewollt hatten?
Ich hatte eine Fruchtwasseruntersuchung abgelehnt, weil ich wusste, dass mit dieser Untersuchung Kinder mit Down Syndrom identifiziert werden. Einem Ultraschall am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels habe ich zugestimmt. Ich wusste nicht, dass es dabei auch um das Down Syndrom geht. Ich wollte einfach, dass es meinem Kind gutgeht. Aber mit der Nackenfaltenmessung ging es schon um Pränataldiagnostik und nicht mehr um Schwangerenvorsorge. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich der Ultraschalluntersuchung in dieser Form nicht zugestimmt.
Es klingt, als plädierten Sie für eine unmündige Schwangere, die nicht wissen will, ob ihr Kind behindert ist, weil sie Angst hat vor der Entscheidung, vor der sie stünde.
Das finde ich abwertend. Es gibt ein gesetzlich garantiertes Recht auf Nichtwissen. Und es kann eine sehr mündige Entscheidung sein zu sagen: Ich will mein Kind nicht dieser Selektion aussetzen. Ich will nicht Schicksal spielen. Bedenken Sie: In den Vereinigten Staaten wird schon das Genom eines Ungeborenen bestimmt. Welche Entscheidungen sollen Eltern in Zukunft treffen? Ob sie ein Kind mit Diabetes wollen? Eltern sollen entscheiden, ob ihr Kind gut genug ist, um auf die Welt zu kommen. Da wird Schindluder mit ihren Ängsten getrieben.
Jetzt haben Sie ein Buch geschrieben: „Mein gläserner Bauch - Wie die Pränataldiagnostik unser Verhältnis zum Leben verändert“. Warum?
Mir ging es nicht um mein persönliches Schicksal. Ich möchte, dass das Buch auf dem politischen Büchertisch landet, dass über Pränataldiagnostik diskutiert wird. Freunde fragten mich, ob ich das Buch wirklich unter meinem Namen veröffentlichen will. Denn wir alle akzeptieren, Pränataldiagnostik ist ein privates, ein intimes und tabuisiertes Thema. Frauen sind aber in dieser Tabuzone nicht ausreichend geschützt.
Es gibt doch viele Informationen zu dem Thema. Jede Frau kann sich informieren.
Wir stehen als schwangere Frauen einem gutorganisierten medizinischen System gegenüber, über das wir zu wenig wissen. Die Schwangerschaft ist der ungünstigste Zeitpunkt, um sich über Fragen der Pränataldiagnostik Gedanken zu machen. Frauen müssen schon vorher besser informiert sein, um sich vor dem schützen zu können, was mit der Pränataldiagnostik an sie herangetragen wird. Sie sollten tun können, was sie wollen, und nicht, was sie wollen sollen.
Wer sagte Ihnen, was Sie wollen sollen?
Meine Frauenärztin und der Ultraschallarzt. Sie gaben mir das Gefühl, dass es unverantwortlich wäre, mein Kind zur Welt zu bringen.
Sie hatten das Gefühl, keine andere Wahl zu haben als einen Abbruch?
Anfangs habe ich noch versucht, mich zu wehren. Der Druck war sehr hoch. Meine Frauenärztin malte mir die Zukunft mit einem behinderten Kind in den schwärzesten Farben: ein Kind mit schwersten geistigen und körperlichen Behinderungen, das ich bis ins Erwachsenenalter wickeln müsste. Und ich solle mir vorstellen, wie alt ich dann sein werde. So bekam ich den Eindruck, dass ich von völlig falschen Voraussetzungen ausging, wenn ich das Kind zur Welt bringen wollte.
Haben Sie sich nicht mit Ihren Freunden, mit nahestehenden Menschen beraten?
Für viele Menschen in unserer Gesellschaft ist es unvorstellbar, dass Frauen sich zu einem behinderten Kind bekennen. Aber sie können sich wahrscheinlich auch nicht vorstellen, was es für eine Frau bedeutet, den Weg der Abtreibung zu gehen.